Alles rund um das Thema Polyester an Bord

Alles rund um das Thema Polyester an Bord

Der Werkstoff, der den Bootsbau revolutionierte

Im Bootsbau wird unterschieden zwischen Polyester Harzen und Epoxid Harzen. In unseren beiden Ratgebern zu diesen Themen finden Sie alles was sie beachten müssen. Von der richtigen Wahl zwischen Polyester und Epoxy bis hin zu wichtigen Anwendungshinweisen und Verarbeitungstipps.

Polyester hat den Bootsbau revolutioniert. Und ist noch heute häufig die erste Wahl, wenn es um Reparaturen an Deck geht. Doch seit Epoxid-Harz auf dem Markt ist hat sich vieles geändert…
Erfahren Sie hier alles zum Thema Polyester-Harze, GFK und Topcoats.

Der Werkstoff, der den Bootsbau revolutionierte

In den 1960er Jahren begann eine Revolution im Bootsbau. Das Baumaterial für Schiffe war bis dahin in der Regel Holz oder Stahl. Seitdem hat ein mit feinen Glasfasern verstärkter Kunststoff die Yachtwerften erobert. Fiberglas lautete sein landläufiger Name, etwas komplexer auf Deutsch „Glasfaserverstärkter Kunststoff“, kurz und in aller Munde einfach GFK. Dieser neue Werkstoff machte die Rümpfe leichter und verkürzte ihre Produktionszeiten. GFK-Boote ließen sich erstmals effektiv in Serien herstellen und wurden daher preiswerter. So öffneten sich neue Kundenkreise für den bis dahin sehr exklusiven Yachtsport.

Das dazu benutzte Polyester basierte GFK zählte lange zu dem beliebtesten Material in Sachen Bootsbau und prägt ihn bis heute. Zwar gibt es inzwischen einen Nachfolger bei dem die Glasfasern mit Epoxidharz anstelle von Polyester getränkt sind, dennoch sind sehr viele Boote auf dem Gebrauchtmarkt mit Polyesterharz hergestellt.

Kurz: GFK kann sowohl mit Epoxid-Harz als auch mit Polyester Harz hergestellt werden. Da es in diesem Beitrag um Produkte rund um Polyester geht, werden wir uns hier ausgiebig mit dem Thema Polyester- GFK befassen. Informationen zu GFK auf Epoxidbasis finden Sie in unserem Ratgeber zum Thema Epoxid.

Was ist Polyester-GFK?

Schon der Name verrät die Funktionsweise von Glasfaser-Verstärktem-Kunststoff auf Polyesterbasis: mit Polyester-Harzen werden Glasfasern umschlossen und miteinander verklebt.

Das Glas kommt hier also nicht im Stück, wie bei einer Fensterscheibe, sondern ist zu einem sehr dünnen Faden gezogen. Erst dieser Faden gibt dem GFK seine Bruchfestigkeit bei gleichzeitig hoher Elastizität. Damit kann es große punktuelle Belastungen aufnehmen und in die Fläche verteilen. Je nachdem, wie die Glasfasern angeordnet sind, hat das GFK unterschiedliche Eigenschaften. Beim Arbeiten mit Polyesterharzen verwendet man meist eine Matte, die im Spritzverfahren hergestellt wird. Der Glasfaden ist darin in kleine Teile zerschnitten und dann verklebt. Es entsteht eine chaotisch anmutende Struktur der, meist wenige Zentimeter langen, Fasern.

Diese Struktur und ein Kleber sorgen bereits unverarbeitet für eine gewisse Festigkeit der Glasmatten. Beim Versuch, eine unverarbeitete Glasfasermatte zu biegen, wird sie leicht brechen. Bei der Verarbeitung löst das im Polyester enthaltene Styrol jedoch den Kleber auf. In Polyesterharz getränkte Glasmatten sind dann weich und lassen sich gut formen.

Im Yachtrumpf werden Glasfasermatten und Polyesterharz in mehreren Schichten zu einem Laminat verarbeitet. Das steigert die Bruchfestigkeit der Glasfasermatten bei ausreichender Elastizität, um auch mal ein ruppiges Anlegemanöver zu verkraften. Der größte Nachteil von GFK auf Polyesterbasis ist aber, dass es nicht wasserbeständig ist. Im Bootsbau übernimmt das Gelcoat die Aufgabe, dieses Manko als Schutzschicht zu mindern.

Polyester GFK
Polyester GFK

Was ist Polyester-Gelcoat?

Um den Sinn von Gelcoat zu verstehen, muss man den Bootsrumpf umdrehen: Boote werden in einer Negativform von außen nach innen aufgebaut. In dieser Form dient eine poröse Schicht aus Spachtelmasse vor allem dazu, dass sich Polyester-GFK nicht mit der Form verbindet und der Rumpf sich besser aus ihr lösen lässt. Das ist aber nicht alles: Gelcoat lässt sich leichter zu einer glatten Rumpfoberfläche schleifen als die ausgehärtete Polyester-GFK-Schicht darunter. Das macht es dem Bootsbauer einfacher, eine durchgehend glatte Oberfläche am Rumpf herzustellen. Außerdem muss Polyester-GFK vor eindringender Feuchtigkeit geschützt werden, denn Polyester ist nicht Wasserbeständig. Damit keine Feuchtigkeit ins Polyester-GFK dringen kann, wird im Rumpfbau daher noch eine Schicht Topcoat aufgetragen. Dieses bildet bei der Aushärtung eine wachsartige Paraffinschicht an der Oberfläche aus, die dann wasserabweisend ist. – Schäden in dieser letzten Schicht sind daher ein wesentlicher Grund für späte Osmoseschäden, wenn über lange Zeit Feuchtigkeit in den Rumpf zieht.

Kurz: Gelcoat ist eine Spachtelmasse mit dem Zweck, die Bauform vom GFK zu trennen und später das GFK vor Feuchtigkeit zu schützen.

Wofür verwende ich Polyester bei Booten heute?

Über die Jahrzehnte ist um die langlebigen Polyester-Rümpfe ein riesiger Gebrauchtmarkt entstanden. Darin finden sich Boote, die nicht selten kleine Schäden durch Abnutzung, Kratzer oder Rammings haben. Viele Hobby-Bootsbauer suchen gezielt nach solchen Yachten für Bastelprojekte. Anschaffung und Refitkosten rechnen sich schnell gegen den Preis für ein gut instandgesetztes Schiff auf. Gleichzeitig lernt man viel über Bootsbau und Handwerk. Wer seine Arbeitszeit nicht einrechnen muss, kann so mit dem Hobby manchmal noch einen kleinen Verdienst herausschlagen.

Anwendung findet Polyester heute insbesondere bei kleinen Ausbesserungen in der Oberfläche dieser Boote und bei großflächigen Reparaturen am Boot im privaten Bereich. Dort kann sich Polyester auch am ehesten finanziell lohnen, da es deutlich preisgünstiger als sein Nachfolger Epoxy ist. Ob sich dieser Polyestervorteil tatsächlich bis zum Ende des eigenen Projekts aufrecht halten lässt, hängt jedoch von einigen weiteren Faktoren im Einzelfall ab.

Arbeiten an Bord mit Polyester

Entscheidend für die Reparatur ist die Art des Schadens. Dabei ist dieser auf den ersten Blick oft gar nicht zu erkennen: Kratzer im Gelcoat können tiefer gehen als auf den ersten Blick zu sehen ist und auch Schäden im Rumpf wollen richtig begutachtet und entsprechend repariert werden. Im Folgenden geben wir einige Hinweise für den Alltag an Bord und in der Halle, wie man Schäden richtig erkennt und entsprechend beheben kann.

Wie behebe ich Kratzer im Gelcoat?

Kleine Kratzer, entstanden durch Dalben, Reiben der Fender oder auch mal einen leicht unsanften Anleger, sind meist nur oberflächliche Schäden in der äußersten Schicht des Rumpfes. Wurde nur die (oft farbige) Oberfläche des Bootes beschädigt, nicht aber das darunterliegende, mehlig-weißgraue Gelcoat, lässt sich das durch Polieren beheben. Bis zu einer gewissen Tiefe reicht eine entsprechende Politur, um die Unebenheit auszugleichen. Gehen Kratzer aber tiefer ins Gelcoat und haben eventuell schon die oberste Schicht durchdrungen, muss neues Gelcoat aufgetragen werden. Am besten eignet sich dazu ein bereits farblich passendes Reparatur-Gelcoat, bzw. Topcoat. Denn durch so einen, vermeintlich kleinen Schaden, dringt am Rumpf beim Segeln mit Lage Feuchtigkeit in die darunterliegenden Schichten des Rumpfes und beginnt dort ein zerstörerisches Werk. Das zeigt sich gegebenenfalls erst Jahre später durch abbröckelndes Gelcoat um die einst kleine Stelle, schlimmstenfalls ist die Feuchtigkeit bis ins Laminat gezogen und führt zu einem handfesten Osmoseschaden.

Polyester-Gelcoat gibt es in allen gängigen Bootsfarben und eine erste Reparatur kann problemlos am Liegeplatz, vor Anker und noch während der Saison, in wenigen Minuten erfolgen. Wenn nötig wird die Reparatur später im Winterlager noch einmal ganz leicht angeschliffen und großflächig mit dem übrigen Rumpf aufpoliert. Bei gutem Abschluss ist der Schaden selbst für geschulte Augen kaum noch zu finden.

Wie lange kann ich Gelcoat verwenden?

Gelcoat sollte auf keinen Fall mehr verwenden werden, wenn es schon leicht gehärtet ist. Beim Auftragen der dann leicht krümeligen Masse entstehen sonst winzige Spalten, durch die Feuchtigkeit eindringt und den Effekt des Gelcoats zunichtemacht. Die dadurch nötige Reparatur ist dann später oft um einiges größer. Viele Hersteller geben für Gelcoat Mindesthaltbarkeitsdaten an. Diese gelten aber nur bei Frost- und hitzefreier Lagerung ungeöffneter Gebinde.

Laminatschäden im Polyester-Rumpf meines Bootes erkennen

Ist die Ursache für den Schaden am Rumpf ein harter Schlag oder ein tiefer Kratzer, geht die Beschädigung am Boot schnell über die Gelcoatschicht hinaus. Denn auch wenn die Schadstelle nur nach einem groben Kratzer aussieht, ist es möglich, dass der Rumpf selbst durch Brüche im Laminat geschwächt wurde. Bei Zusammenstößen, harten Grundberührungen oder einem wirklich harten Aufprall an der Kaimauer muss daher das Gelcoat rund um die Schadstelle entfernt und auch das darunterliegende GFK untersucht werden.

Mit einem Excenterschleifer wird dazu das Gelcoat um die Schadstelle herum abgeschliffen. Staubfreies, intaktes Laminat hat eine leicht gelbliche, homogene Farbe. War der Aufprall zu stark für das Laminat, wurde es kurzfristig soweit eingedrückt, dass sich einzelne Lagen der Glasmatte voneinander getrennt und Glasfasern den Kontakt zum Polyester-Harz verloren haben. Diese Stellen zeigen sich als auffällige weiße Stellen, die entsprechend im Bootsbau auch als Weißbruch im Laminat bezeichnet werden. Das Laminat sieht dabei augenscheinlich intakt aus, ist aber bereits deutlich weicher und in seiner Struktur zerstört. Laminatbruch zeigt sich auch bei älteren Schiffen häufig im Decksbereich, vor allem, wenn auf dem Vorschiff oder dem Kajütdach in der Werft beim Bau am GFK gespart wurde.

Wie entferne ich Weißbruch im Polyester Laminat meines Bootes

Mit einem sehr groben (40er) Schleifpapier und einem Excenterschleifer müssen alle vom Laminat-Weißbruch betroffenen Bereiche sorgfältig ausgeschliffen werden. Dabei lieber zu viel, als zu wenig GFK abtragen. Bei großen Reparaturen ersetzt man die entfernten Polyesterlagen heutzutage häufig mit in Epoxidharz getränktem Glasgelege. Insbesondere im Rumpfbereich wird so auch gleich eine Osmose-Prophylaxe eingebaut, da Epoxid wasserbeständig ist. Kleinere Reparaturen an Deck werden aber auch heute noch häufig mit Polyesterharz und Glasmatten durchgeführt.

Arbeitsschutz beachten: Glasfaserstaub ist Gesundheitsschädlich! Beim Schleifen von Polyester und insbesondere von GFK ist Atemschutz besonders wichtig. Ein Tuch oder eine Staubmaske reicht hier nicht aus! In der Halle sollte die Arbeitsstelle zudem mit einer Plane eingedeckt werden, da sich der feine Staub sonst auch sehr schnell auf umliegende Boote verteilt.

Arbeiten mit Polyesterharz und Glasmatten an Bord

  1. Die Reparaturstelle muss staubfrei und trocken sein.
  2. Glasmatten grob zuschneiden und auf die Reparaturstelle legen.
  3. Die benötigte Menge Polyesterharz mit entsprechendem Härter anmischen.
  4. Mit einem Pinsel und etwas Druck wird die Glasmatte mit dem Polyesterharz getränkt.
  5. Je nach Härter beginnt der Aushärteprozess unmittelbar nach dem Anmischen, schnelles arbeiten ist daher notwendig.
  6. Überschüssiges GFK nach dem Aushärten wegschleifen und die Reparaturstelle mit Polyerster-Gelcoat an die ursprüngliche Rumpfform angleichen.
  7. Das Gelcoat zum Schluss sehr feinschleifen und polieren, dann abschließend wachsen oder eine Schicht Topcoat auftragen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.
Polyester-Harz und Glasmatten

Welche Vorteile hat die Verwendung von Polyester gegenüber Epoxy bei Reparaturen an Bord

  • Bei der Verarbeitung ist Polyester fehlertoleranter als Epoxidharze und härtet auch in unbeheizten Winterlagern durch
  • Polyester ist günstiger im Preis als sein Nachfolger Epoxid. Geht es um große Flächen, kann sich der Preisunterschied lohnen

Nachteile von Polyester an Bord

  • Polyester ist ohne Gel-, bzw. Topcoat nicht wasserbeständig
  • Noch nachdem Polyester fest geworden ist, dunstet das enthaltende Lösungsmittel Styrol aus. Der Grenzwert und die Kennzeichnungspflicht für Styrol wurde jedoch 2017 deutlich herabgesetzt. Dadurch findet sich vermeintlich styrolfreies Polyester, das allerdings noch immer geringe Mengen des Lösemittels beinhaltet. Diese Reduzierung vermindert leider auch häufig die Qualität des damit hergestellten GFK.
  • Der Preisvorteil von Polyesterharz relativiert sich häufig durch die größere Menge, die für eine mit Epoxy vergleichbare Festigkeit notwendig ist.
  • Polyester schrumpft beim Aushärten und ist daher nicht zum Vergießen von Hohlräumen oder für den Bau passgenauer Strukturen geeignet.

Fazit zum Thema Polyesterarbeiten am Schiff

Wer ein gebrauchtes Boot kauft oder eine ältere Yacht besitzt, trifft früher oder später auf eine Reparatur im Polyester-GFK und sicher auch am Polyester-Gelcoat. Kleine Schäden darin lassen sich mit Gelcoat und Topcoat einfach beheben oder sogar polieren. Wer im Umgang mit Polyesterharz und Glasmatten geübt ist, wird vielleicht eher noch einmal zu Polyester greifen. Heutzutage hat Epoxid das Polyester jedoch aus guten Gründen im Bootsbau weitgehend verdrängt und es lohnt sich bei größeren Reparaturen einen Blick auf die Vorzüge des neueren Werkstoffs Epoxid zu werfen.

Autor Hinnerk Weiler

Autor Hinnerk Weiler

Hinnerk Weiler, Segeljournalist, Langstreckensegler und Seebär klärt über das Thema Polyester an Bord auf. Als erfahrener Segler und Experte in Sachen Bootstechnik weiß er wovon er spricht.

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